Es sind manchmal die kleinsten Dinge, die große Gefühle auslösen:
Ein Kragen, der auf der Haut reibt.
Ein winziges Etikett am Rücken.
Ein Brei, der sich “glitschig” anfühlt im Mund.
Ein bisschen Matsch an den Fingern – und schon fließen Tränen.
Wenn du ein hochsensibles Kind begleitest, kennst du diese Situationen sicher gut.
Manchmal erscheint es uns Erwachsenen so unverständlich, so „übertrieben“.
Aber für dein Kind sind diese Empfindungen sehr real – oft viel intensiver, als wir es selbst je erlebt haben.
Heute möchte ich mit dir eintauchen in die feine Welt der hochsensiblen Sinne – und Wege aufzeigen, wie du dein Kind liebevoll begleiten kannst.
Wenn Sinne stärker sprechen als Worte
Hochsensible Kinder nehmen Reize anders wahr – feiner, intensiver, ungefilterter.
Ein leichtes Kribbeln auf der Haut, das andere kaum bemerken, kann für sie unerträglich sein.
Ein „komisches“ Gefühl im Mund beim Essen kann nicht einfach ignoriert werden.
Ein bisschen Schmutz an den Händen fühlt sich an wie eine Bedrohung.
Sensorische Überforderung betrifft nicht nur große Dinge – oft sind es die kleinen Details, die das Nervensystem überfluten.
Typische Situationen, die hochsensible Kinder herausfordern
Hier ein paar Beispiele, die im Alltag schnell zu Stolpersteinen werden können:
- Kleidung und Materialien:
- Kratzende Pullis, Etiketten am Rücken, Socken mit „falschen“ Nähten.
- Jeans, die zu steif sind.
- Mützen, die „zu eng“ sind – obwohl sie perfekt passen.
- Essen und Konsistenzen:
- Glitschige Texturen wie Joghurt, Pudding oder bestimmte Soßen.
- Gemüsesorten, die „faserig“ oder „knirschend“ sind.
- Mischen von Lebensmitteln (z.B. Kartoffeln mit Soße) wird abgelehnt.
- Berührungen und Körpergefühl:
- Hände oder Gesicht schmutzig machen ist „furchtbar“ – Matsch, Farbe oder Essensreste können Panik auslösen.
- Nasse Kleidung nach dem Regen fühlt sich extrem unangenehm an.
- Sand unter den Füßen oder auf der Haut wird als überwältigend empfunden.
- Gerüche und Geräusche:
- Bestimmte Essensgerüche, Reinigungsmittel oder Parfums führen zu sofortiger Abwehr.
- Summende Neonröhren oder das Rauschen vieler Stimmen im Hintergrund machen Konzentration unmöglich.
Warum das alles für dein Kind so groß ist
Das Nervensystem hochsensibler Kinder filtert Reize nicht so stark wie bei anderen.
Jeder kleine Unterschied – weich oder rau, trocken oder feucht, glatt oder körnig – wird wahrgenommen und intensiv erlebt.
Und wenn mehrere Eindrücke gleichzeitig auf sie einströmen (Geruch, Geschmack, Hautgefühl), entsteht schnell eine Reizüberflutung, die sie nicht einfach „wegdenken“ können.
Was sie brauchen, ist nicht: “Stell dich nicht so an.”
Was sie brauchen, ist: “Ich sehe dich. Ich nehme dich ernst.”
Wie du dein hochsensibles Kind im Alltag unterstützen kannst
Hier einige Herzens-Impulse, die wirklich helfen können:
1. Auf die kleinen Details achten
- Wähle Kleidung bewusst: lieber weiche Stoffe, keine harten Nähte, Etiketten herausschneiden.
- Lass dein Kind beim Anziehen selbst entscheiden, was sich gut anfühlt.
2. Essen als Erlebnis respektieren
- Biete verschiedene Konsistenzen an, ohne Zwang.
- Trenne Lebensmittel auf dem Teller, wenn dein Kind es so angenehmer findet.
- Gib neue Speisen in kleinen, stressfreien Situationen, nicht unter Zeitdruck oder Erwartung.
3. Schmutz und Sinneseindrücke spielerisch erkunden
- Baue sichere “Mutproben” ein: Finger kurz in Wasser tauchen, mit einem Pinsel im Matsch malen, barfuß auf weichem Teppich laufen.
- Lobe nicht das “Ertragen”, sondern den Mut, Neues auszuprobieren – auch wenn es nur ein kleiner Schritt ist.
4. Verlässlichkeit und Verständnis zeigen
Wenn dein Kind weiß, dass du seine Empfindungen ernst nimmst, kann es lernen, in kleinen Schritten mit seiner Umwelt umzugehen, statt sich zurückzuziehen.
Eine einfache Geste wie:
“Das fühlt sich gerade wirklich komisch an, oder? Wir finden zusammen eine Lösung.”
öffnet Welten.
Ein kleiner Blick in die Zukunft
Was heute noch große Dramen auslöst – ein kratzender Pulli, ein seltsamer Biss ins Brot – wird sich mit der Zeit verändern.
Je mehr dein Kind sich gesehen fühlt, desto sicherer wird es, mit seinen Empfindungen umzugehen.
Nicht indem es sich “abhärtet” – sondern indem es Vertrauen in sich selbst entwickelt.
Und vielleicht wirst du eines Tages staunen, wie viel Mut und Lebensfreude aus genau dieser feinen Wahrnehmung wachsen kann.